Eine Frau braucht Geld …

Wie zusammen lieben, arbeiten, streiten? Feministische Beziehungsmodelle – weit gefasst

oder: „Eine Frau braucht Geld und ein eigenes Zimmer“

(Heide Hammer)

Von „Mein Bauch gehört mir“ bis zu PostPornPolitics und Neo-Burlesque mäandert die feministische Bewegung durch die Jahrzehnte. Zwischen mainstream und weit verzweigten Seitenarmen bestehen Verbindungen, die auch rückwärtsgewandte Kreise ziehen. Die Naturmetapher verbietet sich und verbietet sich nicht, das Frau-Werden, Tier-Werden, Molekular- und Partikel-Werden (Deleuze/Guattari), die Cyborgs (Donna Haraway) verbindet die theoretisch-politische Auseinandersetzung mit dem Körper und mit Formen der Kollektivität, die Gesellschaft entwerfen. Dass auch der medial gewonnene Raum dieser Veränderungen, die Öffentlichkeit persönlicher Beziehungen nicht per se emanzipativ ist, beweist jeder beliebige Blick in Talkshows und Magazine.

Neben wechselnden Moden und konkreten Entscheidungen in der Gestaltung unserer persönlichen Beziehungen zeigen sich darin auch politische Haltungen. Rollen und Bekenntnisse bieten Spielarten der Intimität, die auch nach Außen wirken und selbst an historischen oder literarischen Figuren faszinieren. Warum lebten und arbeiteten Anna Freud und Dorothy Tiffany Burlingham jahrzehntelang zusammen, dementierten aber konsequent eine erotische Verbindung? Warum wird das Bild der Handtaschenträgerin Alice B. Toklas an der Seite von Gertrude Stein konserviert? Wird die feministische Position Rosa Mayreders in der Distanzierung von Sigmund Freud deutlicher als in ihrer lebenslangen Freundschaft zu Rudolf Steiner? Können analog zu den postkolonialen Bearbeitungen des Literaturkanons – etwa Jean Rhys Wide Sargasso Sea (1966) – fiktionale Entwürfe die Zusammenhänge von romantischen Paarmodellen und Subordinationsbeziehungen erhellen?

„Eine Frau braucht Geld und ein eigenes Zimmer“ (Virgina Woolf)

Frauenräume wurden erkämpft und müssen verteidigt werden, auch wenn in der demoerprobten Öffentlichkeit Wiens weder die Aktivistinnen am 8. März noch zehntausende Läuferinnen beim Frauenlauf von pöbelnden Passant*innen bedroht werden. Wenn eine Frau schreiben will, Literatur schreiben will, genügt vielleicht ein Küchentisch, so wie es die Legende der Joanne K. Rowling für den ersten Band der Harry Potter Bücher erzählt, doch feministische Kollektivität erfordert eigene Räume, vor allem auch Zeiträume. Ob solidarische Männer willkommen sind oder wie sehr an der Geschlechtshomogenität festgehalten wird, kann getrost dem jeweiligen Kollektiv überlassen werden, zumal Formen der Exklusivität traditionell entlang von Klassengrenzen gepflegt werden. Deren Stabilität zu zerstören bleibt eine beständige politische Herausforderung. Finanzielle Unabhängigkeit und die Möglichkeit, zumindest eine Tür zu schließen, ist 2011 ebenso zentral wie 1928, als Virgina Woolf ihre Erfahrungen des Ausschlusses aus der männlichen Eliteuniversität Cambridge poetisch wie präzise formulierte. Dass das Klüngeln, die Genoss*innenschaft zum Vorteil aller Beteiligten kultiviert werden muss, kann nicht nur an traditionellen Männerbünden gelernt werden. Die Bloomsbury Group zeigt, dass ein Verweissystem, genährt von familiären, freundschaftlichen, leidenschaftlichen und intellektuellen Vorlieben, die Erfolge Einzelner befördert. Viele ihrer Mitglieder, auch Virgina Woolf, konnten ihr unkonventionelles Leben auf der Basis ihrer großbürgerlichen Herkunft und ererbter Kapitalien beginnen, dazu gab es die entsprechenden Räume im Londoner Stadtteil Bloomsbury. Da dieses Privileg den wenigsten Feministinnen geschenkt wurde, gingen hierorts Frauengruppen daran, ihre eigenen Räume zu gestalten. Spätestens die Morgendämmerung/-röte aktualisierte dann die Frage, ob das Zurückgehen die Einzelne in die lesbische oder heterosexuelle Exklusivität führt. Gegen den bestechenden „Terror der Intimität“ inklusive zu rettender Verblendung favorisiert die Theorie der polysexuellen Ökonomie (Bini Adamczak) die Ausdehnung des Konzepts der Freund*innenschaft um sämtliche Anteile romantischer Zweierbeziehungen, also auch „beleidigt spielen/sein, sich anstellen, schmollen, zicken, Ansprüche stellen“, „verallgemeinerte Verantwortung“, Sex, sleep-over und größere Betten.

Progressive, emanzipatorische Politik impliziert immer auch Vielfalt – von Subjektpositionen und Ausschlussmechanismen – eine soziale Tatsache, der sich die Historiographie der Frauenbewegung in den späten 80er Jahren kaum widmete. Donauwalzer-Damenwahl und die Position „Migrantinnenrechte sind Frauenrechte“ (Verein LEFÖ, gegr. 1985) beschreiben getrennte Kämpfe. Heute verbindet immerhin eine Stadträtin Integration und Frauenfragen und die Aktivist*innen kennen einander. Durch die strenge Politik der Nostrifikation wird zugleich der Wert von Migrationserfahrungen oft nur als diskursive Aneignungen von außerhalb realisiert. Der Übersetzung von Gayatri Chakravorty Spivaks Can the Subaltern Speak (2008) liegt eine Fassung des Aufsatzes von 1988 zugrunde, während die deutschsprachige Leser*innenschaft nur ein Jahr warten musste, bis Judith Butlers Gender Trouble (1990) übersetzt war. Dann konnten die Auseinandersetzungen zwischen Differenzfeminismus und sozialem Konstruktivismus beginnen. Die politischen Veränderungen sind nicht nur entlang der beliebten Zuordnungsrituale erkennbar. Wenn die politische Position Butlers ernst genommen wird, ist queeres Leben und somit Handeln gefordert und wird seither auch hierorts vielfach erprobt. Dass unsere Inszenierungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten geschlechtlicher Identität binär kodiert sind, wir also darin geübt sind, Männer und Frauen zu identifizieren, kann eben so gut bedeuten, der Lust an der Reinszenierung, Irritation und Überschreitung zu frönen. Gerade in der Differenz zu konservativen Vorstellungen von guten Müttern, braven Ehefrauen und sittsamen Mädchen und dem entsprechenden Regeln, erscheint es sinnvoll allen voran der Rigidität abzuschwören. Zugegeben, mächtige Männerbünde mag ein verspielter Gestus von Virilität (Tomboy) mäßig beeindrucken, die Teilhabe an lukrativen Positionen ist damit nicht gesichert. Das Ziel parodistischer Intervention liegt seit den 90er Jahren primär in der Offenlegung machtvoller, funktionaler Logiken, ihrer radikalen Ablehnung und der Erweiterung möglicher geschlechtlich konnotierter Darstellungsweisen. In der selbstbewussten Aneignung erfolgt bereits die Modifikation begehrter Rollen und Tätigkeiten, Riot Grrrls entgrenzen Punk, Lady-Feste und Queer-feministische Tage zelebrieren emanzipatorische, nicht-identitäre Kämpfe. Von der Ablehnung der heterosexuellen Norm und ihrer klaren Subjekt-Objekt, aktiv-passiv Vorgaben, von der mit „Bierpappbechergewalt“ demonstrierten Empörung gegen eine Performance mit Dildo und Spielzeuggewehr im Rahmen der Frauensommeruniversität 1990 bis zur Sexparty am Ladyfest 2007 bewegt sich feministische Autonomie, gerne auch mit kommunaler Unterstützung.

Dass dieses Spiel der Ermächtigung und Verschiebung für Akteur*innen und ihr geneigtes Publikums immer wieder lustvoll ist, zeigen Performances im Format der Neo-Burlesque. Ironie und Erotik ergänzen einander und entgegen aller Unkenrufe muss die Differenzierung der Szene nicht zur Legitimation eines engen Politikbegriffs missbraucht werden. Die queer-feministische Aneignung erotischer Inszenierungen ist in einem wohlwollenden Ambiente möglich, das konsequent den Mainstream erreicht und somit Konventionen verschiebt. Ein wesentliches Merkmal der Szene ist ihre begrenzte Öffentlichkeit, die zu Imitation und Adaptierungen ermutigt. Denn anders als in der Verbindung von Freund*innen sind hier die Grenzen zu einem öffentlichen und darin politischen Agieren durchlässig. Zugleich eröffnet gerade die gesellschaftliche Nische einen experimentellen Raum, eine Laborsituation, der weitere Schritte der Sichtbarkeit folgen können, um zu zeigen, dass in demokratischen Gesellschaften das Zusammenleben tatsächlich von arbiträren Normen geprägt ist. Das vorläufige Ziel dieser Bewegung liegt in einer Vervielfältigung der Verbindungen von Körper, Begehren, Selbstbildern und Beziehungsmodellen. Wenn die Grenzen zwischen Facts und Fiction, zwischen Dildo und Schwanz verschwimmen, ist der Theaterraum zugleich eine gesellschaftliche Bühne, die Übernahme einer Rolle wird darin rekontextualisiert.

Das gute Leben changiert vielfach zwischen Intensität und Kalkül. Wie viel Langeweile – Stress ist erträglich, um ein finanziell sorgenfreies Auskommen zu finden? Welches Maß an institutioneller Anerkennung schmeichelt der narzisstischen Persönlichkeit? Wie viel bedeutsamer können selbst gewählte, selbst organisierte Zusammenhänge sein? Gegenwärtig resultiert die politische Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen aus diesen einfachen Fragen. Um die Mayday Parade aus der akademisch-künstlerischen Isolation zu bewegen, wäre das gesellschaftliche Experiment zu wagen. Steht jedem und jeder ohne Angabe von Staatsangehörigkeit, Geschlecht und Alter ein bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe gesetzlich zu, dann verschwindet die Frage von Anerkennung und Abhängigkeit zwar nicht, sie wird aber von einem sozialen Sicherungssystem wirksam durchzogen. Die vielfach geforderte Flexibilität und Veränderungsbereitschaft wäre damit begünstigt, ebenso soziales Handeln, die Unterstützung und Assistenz von Personen, deren eigenständiges Leben durch beständige Beziehungen möglich wird. Darin kann individuelle Progression gelingen und die Einförmigkeit des herkömmlichen Karriere- und Beziehungsmodells verliert seine Attraktivität.

Ob in (serieller) Monogamie in oder außerhalb der Institution Ehe, als polysexuelle Aktivist*in oder im Rahmen kontrasexueller Verträge, die Frage der Kontinuität bleibt entscheidend. Was passiert, wenn die Party ihren Höhepunkt überschritten hat, der Prozess des Entliebens läuft, die mühevoll etablierte Zeitschrift zu wenige Redakteur*innen wie Leser*innen findet, die Szene andere Plätze bevorzugt? Kann dann die Angst vor der kapitalistischen Verteilungslogik, also zwanghafter Vereinzelung, besiegt werden, ist viel gewonnen. Auch wenn das Festhalten des Glücks misslingt, muss die eigene Radikalität nicht ausgerechnet an gebrochenen Herzen und Beziehungen hängen. Eher erfüllt die Lust an der Wiederholung, den Abweichungen und der ersten Berührung das erweiterte Ensemble unserer gesellschaftlichen Verhältnisse.

Gilles Deleuze; Félix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin 1997.

Donna Haraway: Ein Manifest für Cyborgs. Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften. In: dies., Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/M.; New York 1995 [Orig. 1985], S. 33-72.

Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer. Drei Guineen. Essays. Leipzig: Reclam 1992.

Bini Adamczak: Theorie der polysexuellen Ökononomie. (Quelle: http://copyriot.com/diskus/06-1/theorie_der_polysexuellen_oekonomie.htm)

Brigtte Geiger, Hanna Hacker: Donauwalzer-Damenwahl: Frauenbewegte Zusammenhänge in Österreich. Wien: Promedia 1989.

Verein zur Förderung von Frauenbildungsprojekten (Hg.): Autonomie in Bewegung: Dokumentation der 6. Österreichischen Frauensommeruniversität. Wien: Promedia 1991.

Post/Porn/Politics. Symposium/Reader Queer_Feminist Perspektive on the Politics of Porn Performance and Sex_Work as Culture Production. Berlin: b_books 2009.

Beatriz preciado: kontrasexuelles manifest. Berlin: b_books 2003.